50 Jahre Deutsche Vita

- Foto del Dott. G. Scigliano

 

"Eine grandiose Bereicherung": Bundesminister Otto Schily lobt die Eingliederung von Italienerinnen und Italienern in die deutsche Gesellschaft beim WDR-Symposium "50 Jahre Deutsche Vita"

Leggi tutto il discorso del Ministro (in tedesco)

 

Saalmoderation : Claudia D’Avino

Momento di pausa

 

Etta Scollo

Etta Scollo

Konrad Beikircher

Konrad Beikircher

 

 

 

 

WDR-Intendant Fritz Pleitgen

 

 

 

Bundesinnenminister Otto Schily

 

 

Prof. Dr.Ursula Boos-Nünning

Bundesinnenminister Otto Schily

WDR-Intendant Fritz Pleitgen

 

 

Momento di pausa

 

 

 

Der italienische Botschafter a. D.

Prof. Luigi Vittorio Ferraris

 

 

L’ex Ambasciatore

Prof. Luigi Vittorio Ferraris

Con il Consigliere Alessandro Gaudiano

 

 

 

Der italienische Botschafter a. D.

Prof. Luigi Vittorio Ferraris

Con il membro del CIGE

Franco Del Vecchio

 

L’ex Ambasciatore

Prof. Luigi Vittorio Ferraris

Con il Consigliere Alessandro Gaudiano

 

 

Publico in sala

Momento di pausa

 

Prof. Dr.Ursula Boos-Nünning

Giovanni Pollice IG Che mie Vorstand Hannover

Giuseppe e Franco De Matteis, Dortmund

Auroro Rodonò, Domit, KÖln

Don Giovanni Ferro, Ital. Kath. Mission, Leverkusen

Luigi La Grotta WDR Funkhaus Europa

Giovanni Pollice IG Che mie Vorstand Hannover

 

Luigi Campi, Gastronom – Carola Rönnenburg Buchautorin

Der Präsident des Hauses der Geschichte Prof. Hermann Schäfer -  ZDF-Moderatorin Luzia Braun

Der italienische Botschafter a. D. Prof. L. Vittorio Ferraris

Moderation:  Angelica Netz WDR 2

 

 

Regine Krieger, Redakteurin Handelsblatt, Düsseldorf

Der Publizist Jan Weiler - Olympiasiegerin Josefa Idem

 Der deutsche Designer Richard Sapper

Silvia Di Natale , Schriftstellerin

Moderation:  Katty Saliè,WDR

Regine Krieger, Redakteurin Handelsblatt, Düsseldorf

Der Publizist Jan Weiler –

Olympiasiegerin Josefa Idem

 

Olympiasiegerin Josefa Idem

Der deutsche Designer Richard Sapper

Silvia Di Natale , Schriftstellerin

Il presidente del COMITES di Hannover Dott G. Scigliano

Con il Presidente del COMITES di Colonia Cav. R. Benati

 

 

 

 

 L'invito WDR

50 Jahre Deutsche Vita“ Einladung zum Symposium mit Otto Schily und Fritz Pleitgen

Köln (ots) - Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor 50 Jahren kamen die ersten italienischen „Gastarbeiter“ nach
Deutschland. Aus diesem Anlass veranstaltet der Westdeutsche Rundfunk
im Haus der Geschichte Bonn ein hochkarätiges Symposium mit dem Titel
„50 Jahre Deutsche Vita“. Die Gesprächsrunden am 25. August 2005
werden von WDR-Intendant Fritz Pleitgen und Bundesinnenminister Otto
Schily eröffnet.

Auf den Podien diskutieren namhafte Expertinnen und Experten sowie
prominente deutsch-italienische „Grenzgänger“ wie die ZDF-
Moderatorin Luzia Braun, die Olympiasiegerin Josefa Idem, der
italienische Botschafter a. D. Prof. Luigi Vittorio Ferraris, der
deutsche Designer Richard Sapper, der Präsident des Hauses der
Geschichte Prof. Hermann Schäfer und der Publizist Jan Weiler.

Begleitet wird das Symposium kabarettistisch und musikalisch von
Konrad Beikircher und Etta Scollo.


Termin:
Donnerstag, 25. August 2005
14.00 Uhr
Haus der Geschichte, Bonn

Ab 19.00 Uhr gibt es einen italienischen Imbiss.

Die Veranstaltung bietet zudem Gelegenheit, die Multimedia-
Ausstellung „Von Kopf bis Fuß: 50 Jahre Deutsche Vita“ mit
herausragenden Beiträgen aus den WDR-Archiven zu besuchen.
Beschlossen wird die Ausstellung am 28. August mit einer
unterhaltsamen Finissage, bei der die Filme „Solino“ und „Pizza
Colonia“ präsentiert werden.

Wir freuen uns über Ihre Zusage. Bitte teilen Sie uns mit rück-
seitigem Antwortfax mit, ob Sie zum Symposium kommen werden.


Mit freundlichem Gruß

 

Rede von Bundesminister Otto Schily zur Eröffnung des Symposiums "50 Jahre Deutsche Vita" am 25. August 2005 im Haus der Geschichte Bonn

 

 Il Discorso del Ministro Otto Schily

 

"50 Jahre Deutsche Vita" - das ist ein wirklich raffinierter Titel. Selten erhält das "Deutsche" einen so "süßen" Klang wie in dieser Kombination. Als sprachliche Schmuggelware sozusagen erhält es hier den Reiz des süßen Lebens. Ist das schon ein Hinweis darauf, dass Deutsches und Italienisches zusammen eine sehr harmonische Beziehung eingehen können? "Deutsche Vita" klingt jedenfalls verlockender als ein Leben "alla tedesca". Denn anders als der französische "allemand" oder der spanische "alemán" hat "il tedesco" doch immer den Teutonen im Nacken sitzen.

 

50 Jahre Deutsche Vita waren für viele der Millionen Italienerinnen und Italiener, die nach Deutschland kamen, anfangs eher alles andere als eine fröhliche Veranstaltung. Zumal in den Anfangsjahren waren die Arbeitsbedingungen äußerst hart, die Lebensbedingungen zum Teil unerträglich. Die Italiener waren die ersten offiziellen, sogenannten "Gastarbeiter" und mussten für diese Pionierrolle wohl auch Tribut zollen. Denn ihre Gastgeber waren auf dieses Abenteuer noch weniger vorbereitet als sie selbst. Der berühmte Satz "Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen" beschreibt ja nicht erst die Erfahrung, dass ein Teil der Gastarbeiter später bleiben wollte. Schon von Anfang an waren es ganz praktische Probleme der zugereisten Menschen, die es zu lösen galt.

  

Sogar das Bundeskabinett beschäftigte sich vor fünfzig Jahren mit den italienischen Essgewohnheiten. (Das tun wir heute auch noch ab und zu, aber nur, wenn wir die besten Tipps über italienische Restaurants austauschen.) Damals wurde der Arbeitsminister beauftragt, hundert Landarbeiter-Ehefrauen aus Italien als Köchinnen anzuwerben. Dadurch sollte, so der Kabinettbeschluss, für italienische Arbeitsmigranten "eine der heimischen italienischen Verpflegung ähnliche Beköstigung erreicht werden".

 

Wo keine italienische Kochkunst zur Verfügung stand, gab es immerhin praktische Hinweise für die deutschen Arbeitgeber. In Stuttgart verbreitete das Landesarbeitsamt in einer Pressemitteilung "Ratschläge für die Zubereitung von Speisen nach italienischer Art". Darin hieß es unter anderem: "Der Italiener liebt im allgemeinen keine dünnen und flüssigen Soßen, insbesondere keine Mehlsoßen. Zu Teigwaren, die nicht zu weich gekocht werden sollen, gibt man Tomatensoße. Der Italiener ist nicht gewohnt, Obstsäfte, Most zu trinken. Zum Essen trinkt er mit Vorliebe Wein und Wasser."

 

Heute erheitern uns solche Ratschläge. Ich zitiere sie deshalb, weil unsere Reaktion darauf beweist, wie sehr sich unser Leben und unser Wissen in fünfzig Jahren verändert hat. Fast jeder Deutsche kennt inzwischen den Begriff "al dente". Die meisten wissen wohl auch, was damit gemeint ist. Und einige wenige schaffen es sogar, die Pasta tatsächlich "mit Biss" zu kochen. Natürlich kann es auch heute noch passieren, dass man nördlich der Alpen den heiß geliebten Cappuccino mit einer steifen Sahnehaube serviert erhält. Aber italienisches Leben ist nicht mehr nur eine unbestimmte Sehnsucht nach dem fernen Süden. Die "dolce vita" ist mit vielen Details auch Teil des deutschen Alltags geworden.

 

Vor allem aber sind Italienerinnen und Italiener Teil der deutschen Gesellschaft geworden. Das war in vielen Fällen ein langer, mühsamer Prozess. Auch heute sind nicht alle Schwierigkeiten überwunden. (Herr Pleitgen hat schon auf einzelne Befunde im schulischen Bereich hingewiesen.) Aber ein Blick auf die Aufenthaltsdauer in Deutschland zeigt doch, dass die "deutsche Vita" für Italiener inzwischen ganz passabel ist. Denn im Durchschnitt halten sich italienische Staatsbürger seit 22 Jahren in Deutschland auf. (Nur die durchschnittliche Verweildauer von Spaniern und Kroaten ist länger.)

 

Rund 600.000 Italienerinnen und Italiener sind unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ihnen und all ihren Landsleuten, die nach Deutschland gekommen sind, verdanken wir eine grandiose Bereicherung unseres Landes, eine große kulturelle Öffnung und eine entscheidende Modernisierung unserer Gesellschaft. Denn niemand bestreitet heute mehr den Satz, der schon lange gültig ist: Deutschland ist ein Einwanderungsland. E gli italiani furono i primi.

 

Natürlich zogen schon seit jeher Migranten aus vielen Ländern nach Deutschland. Aus Italien kamen im Laufe der Jahrhunderte Architekten und Kaufleute, Handwerker und viele Künstler. Italienischen Wanderarbeitern galten Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Aktivitäten des Caritas-Verbandes. Es gibt kaum ein anderes Land als Italien, mit dem Deutschland kulturell und emotional so eng verbunden ist.

 

Im zwanzigsten Jahrhundert aber war das Jahr 1955 eine Zäsur in der Arbeitsmigration nach Deutschland. Am 20. Dezember 1955 wurde das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Italien unterzeichnet, auf deutscher Seite durch Bundesarbeitsminister Storch und Botschafter von Brentano, auf italienischer Seite durch Außenminister Martino. Es war für die Bundesrepublik die erste bilaterale Vereinbarung dieser Art. Sie wurde aus rein ökonomischem Interesse geschlossen, nämlich "in dem Bestreben, einen hohen Beschäftigungsstand der Arbeitskräfte zu erreichen und die Produktionsmöglichkeiten voll auszunutzen".

 

Von großer Bedeutung war die Schaffung gleicher Arbeits- und Rechtsbedingungen für die italienischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das war damals, noch vor der Gründung der Europäischen Gemeinschaft, alles andere als selbstverständlich. Eine wichtige Forderung von italienischer Seite und eine dann mit Recht viel gelobte Errungenschaft war die Bezahlung des deutschen Kindergeldes für den in Italien verbliebenen Nachwuchs der Migranten.

 

Nach etwa einem Jahrzehnt ging es um die längerfristige Eingliederung derer, die bleiben wollten. Mit der Bleibeperspektive rückten Berufsausbildung und berufliche Fortbildung in den Mittelpunkt. Deutsche Schulen begannen, zweisprachigen Unterricht für die Kinder italienischer Arbeitsmigranten anzubieten. Das waren die ersten Versuche langfristiger Integration, die sich dann - allerdings viel zu zaghaft und noch nicht systematisch - fortgesetzt haben.

 

Inzwischen waren nach dem deutsch-italienischen Vorbild Anwerbeabkommen mit weiteren Staaten geschlossen worden. De facto war Deutschland schon längst ein Einwanderungsland. Aber es dauerte noch Jahrzehnte, bis daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen wurden. Die rot-grüne Bundesregierung hat dies getan - mit der grundlegenden Reform des Staatsangehörigkeitsrechts 1999 und im vergangenen Jahr mit dem Zuwanderungsgesetz. Das ist eine Neuorientierung Deutschlands von historischem Rang.

 

Mit der neuen ius-soli-Regelung, also der Einführung des Territorialprinzips, hat Deutschland endlich ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht auf europäischem Niveau erhalten. Und das Zuwanderungsgesetz erlaubt es uns endlich, Zuwanderung nach Deutschland mit geeigneten Instrumenten gezielt zu steuern. Zugleich bedeutet das Zuwanderungsgesetz vor allem den Einstieg in eine systematische Integrationspolitik. Das ist ein Paradigmenwechsel. Nach dem Grundsatz des Förderns und Forderns ist die Teilnahme an Integrationskursen in vielen Fällen sogar Pflicht, zum Beispiel für Neuzuwanderer ohne Sprachkenntnisse.

 

Die Angebote richten sich aber nicht nur an Neuzuwanderer. Für die nachholende Integration stehen die Kurse auch Ausländern offen, die schon vor dem 1. Januar 2005 in Deutschland gelebt haben. Umfassende Integration lässt sich aber weder staatlich verordnen noch allein durch Kursangebote herstellen. Wir brauchen vor allem gegenseitige Offenheit und wechselseitige Integrationsbemühungen - der Aufnahmegesellschaft ebenso wie der Zuwanderer.

 

Bei unseren italienischen Freunden sehe ich übrigens keinen Bedarf für Integrationskurse. Integration zwischen den europäischen Kernländern geschieht sozusagen von selbst. Es gibt zahlreiche Italienerinnen und Italiener, die hervorragend in die deutsche Gesellschaft integriert sind (u. a. der Jurist Udo di Fabio, der Journalist Giovanni di Lorenzo oder der Unternehmer Giuseppe Vita). Einige sind heute zu Gast, und ich bin sehr gespannt darauf, zumindest die erste Diskussionsrunde verfolgen zu können. Italiener sind ein gutes Beispiel dafür, wie man sich in die deutsche Gesellschaft eingliedern kann, ohne sein ursprüngliches kulturelles Profil aufzugeben. (Es wäre ja auch wirklich schrecklich, wenn Italiener ihre wunderbare Sprache aufgeben würden.)

  

Der Westdeutsche Rundfunk hat dankenswerter Weise zur gelungenen Integration der Italienerinnen und Italiener in Deutschland wesentlich beigetragen. Er hat schon 1961, also wenige Jahre nach dem Anwerbeabkommen, angefangen, in italienischer Sprache zu senden. Stellvertretend für die jahrzehntelangen Integrationsbemühungen des WDR danke ich seinem Intendanten, Herrn Pleitgen, sowie dem Integrationsbeauftragten, Herrn Zambonini. Mit der Ausstellung im Haus der Geschichte und dem heutigen Symposium zeigen Sie die Entwicklung und die Vielfalt deutsch-italienischen Lebens in den vergangenen fünf Jahrzehnten.

 

Ich habe übrigens - wie viele andere Deutsche - meine eigene Integrationserfahrung in umgekehrter Richtung gemacht. Inzwischen betrachte ich Italien als meine zweite Heimat und bin dort weniger als deutscher Innenminister bekannt denn als "piccolo contadino toscano". Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass wir selbstverständlich den Zugang zur Kultur und Gesellschaft eines anderen Landes nicht ohne die Sprache gewinnen können. (Bei der Verleihung des diesjährigen Karlspreises hatte ich daher das Vergnügen, den Preisträger Carlo Azeglio Ciampi mit einigen Lebensweisheiten "in italiano" zu erfreuen.)

 

Der frühere italienische Botschafter in Bonn und ein großer Freund Deutschlands, Professor Ferraris, hat das Verhältnis zwischen Deutschen und Italienern vor Jahren mit einem Bonmot karikiert: "Italiener und Deutsche kennen sich seit vielen Jahrhunderten - so gut, dass sie sich nicht verstehen."

 

Inzwischen ist die Wirklichkeit eine andere geworden. Auch das Verständnis für die Differenz ist gewachsen, der wechselseitige Respekt und die Zuneigung. Die Deutschen haben längst gelernt, dass Italiener ungewöhnlich fleißig sind, ohne auf ihre fröhlichen Lebensgewohnheiten zu verzichten. Wir wissen inzwischen, dass wir keinen einzigen Italiener davon abhalten können, sich rechtzeitig zum "pranzo", zum Mittagessen, einzufinden.

 

Wir mühen uns manchmal, uns die italienische Leichtigkeit anzueignen - meist mit wenig Erfolg. Aber wir sind sehr froh, dass italienisches Leben inzwischen in so vielfältiger Weise nach Deutschland hineinreicht, vor allem was die Ästhetik betrifft. Niemand wird ernsthaft behaupten können, dass wir ohne italienische Architekten, ohne italienische Autoren und Musiker, ohne italienische Restaurants, ohne italienische Schneider und Friseure, ohne italienische Designer und Künstler, niemand wird ernsthaft behaupten können, dass wir ohne Italienerinnen und Italiener überleben könnten.

 

Insomma: Unser Leben würde ohne Italiener veröden. Sono benvenuti i nostri amici italiani!